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Konzentration fördern durch Bewegung

von | Apr 13, 2021 | Kinder, Lernen | 0 Kommentare

Svetlana Oskanyan ist zweifache Mama und begeisterte Bewegungsexpertin. Außerdem ist sie die Gründerin des Spielgeräteverleihs Stressfrei Spielraum. Im Interview verrät sie, wie Bewegung die Entwicklung fördert, ob sich Kinder heutzutage tatsächlich zu wenig bewegen und wie du durch Bewegung die Konzentration deines Kindes fördern kannst.

 

Liebe Svetlana! Warum tust du, was du tust?

Wir alle als Eltern wollen unsere Kinder bestmöglich fördern und bei der Entwicklung unterstützen, und gerade jetzt in Pandemiezeiten haben wir gemerkt, dass es den Kindern an Bewegungsmöglichkeiten fehlt. Aber auch außerhalb der Pandemie bewegen sich die Kinder heutzutage leider zu wenig. Deswegen ist es mir wirklich ein persönliches Anliegen, die Bewegungsförderung vor allem nach Hause zu bringen und sie einfacher, verständlicher und stressfreier zu machen.

 

Was bietest du mit deinem Stressfrei Spielraum an?

Wir vermieten Klettergerüste und andere Spielgeräte, Bewegungsgeräte, für zuhause. Diese sind freistehend und müssen nicht befestigt werden, sie können auch immer wieder ausgetauscht werden. Außerdem verkaufen wir Spielgeräte und sehen uns auch als Wissensvermittler im Bereich Bewegungsförderung zu Hause.

 

Wir haben uns ja vorab schon ein bisschen unterhalten. Du hast mir erzählt, es gibt fünf Grundbedürfnisse, die durch Bewegung unterstützt werden. Kannst du das kurz näher erläutern?

Genau, es gibt fünf psychologische Basisbedürfnisse in der Kinderentwicklung. Das sind Zugehörigkeit, Sicherheit, Akzeptanz, Aufmerksamkeit und Unabhängigkeit. Alle diese Basisbedürfnisse können durch Bewegung unterstützt werden. Ich verrate heute auch gleich fünf einfache Tipps, wie das gemacht werden kann.

  1. Man muss eine sichere Umgebung schaffen, um so dem Kind das Gefühl von Sicherheit zu geben.
  2. Man muss feste Grenzen setzen. Das heißt, feste – aber wenige – Regeln aufstellen und dann innerhalb dieser Regeln dem Kind völlige Freiheit lassen.
  3. Es sollte natürlich niemals Leistungsdruck da sein. Darum ist es wichtig, die Leistungen und Erfolge des eigenen Kindes nicht mit anderen Kindern zu vergleichen. Am besten sollten die Ergebnisse von heute mit den Ergebnissen von gestern verglichen werden.
  4. Bewegungseinheiten lassen sich sehr gut als qualitative Zeit für die Eltern-Kind-Beziehung nutzen. In dieser Zeit sollten Eltern weder arbeiten, noch auf das Handy schauen, sondern nur für das Kind da sein und auch die physische Aufmerksamkeit dem Kind zuwenden. Das muss auch gar nicht lange dauern, denn schon 15 Minuten täglich können Wunder für die Beziehung bewirken.
  5. Selbständigkeit und Unabhängigkeit fördern, in dem man das Kind Dinge selbst machen lässt. Dazu gehört auch, dass man die Kinder Fehler machen und immer wieder versuchen lässt.

 

Gerade der vierte Punkt – die ungeteilte Aufmerksamkeit – wird wahrscheinlich gerade jetzt in der Pandemie bei vielen Familien vernachlässigt. Gerade durch Homeoffice und DistanceLearning verbringt man viel Zeit miteinander, aber nicht unbedingt so, dass es der Beziehung nutzt. Wie siehst du das? Kann oder soll  man hier etwas „nachholen“?

Als erstes sollte man sich nicht selbst unter Druck setzen, denn es ist nie zu spät dafür, diese Zeit aufzuholen, wenn sie untergegangen ist in der momentanen Situation. Die Kinder haben dafür meist viel Verständnis.

Am besten setzt man sich für diese gemeinsame Zeit erst einmal kleine Ziele, dann ist es auch mit der Umsetzung einfacher. Es hat sich bewährt, eine fixe Uhrzeit und eine bestimmte Tätigkeit mit dem Kind zu vereinbaren. Wichtig ist, dass man diese Tätigkeit auch wirklich mag. Viele Erwachsene mögen zum Beispiel nicht frei spielen, was auch ganz normal ist. Aber jeder hat bestimmte Vorlieben, die man auch mit dem Kind gemeinsam machen kann. Wichtig ist, dass man Spaß dabei hat. Für mich zum Beispiel ist es am einfachsten, wenn ich mit meinen Kindern raus gehe, dass kann auch ein ganz kurzer Ausflug sein. Dann ist es für mich am einfachsten, mich ganz auf meine Kinder zu konzentrieren, mit ihnen zu reden und für sie da zu sein. Zu Hause ist es für mich persönlich ein bisschen anstrengender.

Jeder sollte einfach das für sich finden, was Spaß macht. Und wenn’s mal nicht klappt, dann ist das auch kein Drama – wie schon gesagt, keinen Druck machen!

 

Du hast vorhin angesprochen, dass gerade jetzt in der Pandemiezeit, aber auch schon davor, sich die Kinder zu wenig bewegen. Ist das wirklich so?

Das ist tatsächlich so und dafür gibt es mehrere Gründe. Auf der einen Seite haben Kinder, vor allem in Städten, in den Wohnräumen nicht mehr genügend Platz, um sich auszutoben. Um uns zu bewegen, brauchen wir oft einen bestimmten Ort, wie zum Beispiel einen Spielplatz, der nicht immer in unmittelbarer Nähe ist. Somit ist der Zugang nicht uneingeschränkt möglich und die Kinder können sich gerade dann, wenn sie es bräuchten, nicht gleich ausreichend bewegen. Jüngere Kinder brauchen die Begleitung von Erwachsenen, die auch nicht immer Zeit und Lust haben.

Auf der anderen Seite ist es unser genereller Lebenswandel. Größere Strecken bewältigen wir nicht mehr zu Fuß, sondern mit dem Auto oder mit dem elektrischen Roller. Nicht nur die Kinder, auch wir Erwachsene bewegen sich dadurch allgemein zu wenig. Das ist ein Thema, dass wir alle sehr bewusst angehen müssen.

 

Wie wirkt sich der Bewegungsmangel nun aus?

Es ist ganz interessant, der Bewegungsmangel spiegelt sich nämlich auf drei Ebenen wider. Zum einen natürlich auf der physischen Ebene. Klar, je weniger ich mich bewege, desto schwächer bin ich, desto weniger Ausdauer habe ich. Das führt dann zu Organleistungsschwäche und anderen körperlichen Problemen.

Auf der psychischen Ebene sind wir dann mehr dem Stress ausgesetzt, wir leiden unter Konzentrationsmangel und Motivationslosigkeit.

Auf der dritten Ebene haben wir dann auch soziale Probleme. Unsere Empathie ist unterentwickelt, es wir für uns schwieriger uns an Regeln zu halten und wir haben Kommunikationsprobleme. Bewegungsmangel ist ein sehr komplexes Problem, dass sich tatsächlich auf alle Bereiche unseres Lebens auswirkt.

 

Viele Kinder haben zu Hause nicht den Raum, sich auszutoben, das hast du ja vorhin auch schon angesprochen. Bei schlechtem Wetter hat man als Eltern auch nicht unbedingt Lust, auf den Spielplatz zu gehen. Wie können wir trotzdem unsere Kinder unterstützen, vor allem zu Hause mehr Bewegung reinzukriegen?

Wichtig ist, daran zu denken, dass jede Bewegung zählt und ein Gewinn ist. Es heißt nicht, du musst zwei Stunden Sport machen, dann bist du aktiv. Man sollte besser den ganzen Tag durch aktiv bleiben.

Für Schulkinder kann es interessant sein, im Stehen zu schreiben oder zu lesen. Alles außer sitzen und liegen ist schon gut! Je kleiner die Kinder sind, desto spielerischer muss die Bewegungsförderung sein. Ältere Kinder sind nicht immer so einfach zu Bewegung zu motivieren. Hier darf man ruhig alle Tricks ausnutzen, um sie zur Bewegung anzuregen. Ich habe neulich drei Teenager im Park gesehen, die dort mit der Spielekonsole gespielt haben. Wenn das die einzige Möglichkeit ist, dass sie rausgehen, ist das auch ok!

Für viele Kinder sind auch Challenges innerhalb der Familie eine gute Möglichkeit, mehr Bewegung zu machen. Wichtig dabei ist, dass jeder eigene Ziele hat und man sich nicht miteinander vergleicht. Das heißt, wenn es um Liegestütze geht, kann der Papa für sich ein Ziel von 100 Liegestütze setzen, das Kind vielleicht nur 10 oder 20, je nach Alter. Für die Kinder ist es super zu beobachten, wie sich auch die Eltern disziplinieren müssen, wie diese auch mal Fehler machen oder etwas nicht gelingt und trotzdem weiter am Ziel gearbeitet wird.

 

Das heißt, auch beim Thema Bewegung sind wir Eltern die Vorbilder.

Ja, ich werde oft gefragt: Wie motiviere ich denn meine Kinder zur Bewegung? Im Großen und Ganzen können wir andere Menschen ja nicht beeinflussen. Wir können nur an uns selber arbeiten. Und wenn ich dann zu meinem Kind sage, „geh und beweg‘ dich“, aber selber auf der Couch liege, hat das natürlich nicht sehr viel Einfluss. Darum ist es wichtig, gesunde Alltagsgewohnheiten vorzuleben, denn nur dadurch motiviert man auch andere Familienmitglieder dazu.

 

Spannend! Da darf man sich ruhig an der eigenen Nase nehmen. Gibt es eigentlich einen Richtwert, wie viel Bewegung am Tag notwendig ist? Oder einfach soviel wie möglich?

Tatsächlich gibt es keinen konkreten Wert, auch wenn sich viele so etwas wünschen. Es gilt wirklich so viel Bewegung wie möglich unterzubringen, wichtig ist: jede Bewegung zählt und alles ist besser als sitzen und liegen!

 

Du hast erklärt, dass sich Bewegungsmangel auf die Konzentration und auch auf die Motivation auswirken. Hast du Tipps, welche Bewegung speziell sinnvoll ist, um die Konzentration zu fördern? Das ist ein großer Punkt bei vielen Eltern, die sagen „mein Kind kann sich nicht konzentrieren!“

Jede Bewegung ist konzentrationsfördernd. Die goldene Regel lautet, je mehr wir uns bewegen, desto konzentrierter sind wir auch in anderen Lebensbereichen. Es zählt aber nicht nur Bewegung alleine, sondern auch Dinge wie feste Tagesabläufe, geregelte Schlafenszeiten und energiegebende Ernährung. Das Zusammenspiel dieser Faktoren erlaubt uns konzentrierter, produktiver und effizienter an unseren Aufgaben zu arbeiten. Ich habe drei ganz konkrete Tipps, wie man die Konzentration fördern kann, mitgebracht:

1. Gleichgewicht: alles was den Gleichgewichtssinn fordert, fördert die Konzentration. Wir Erwachsenen vergessen oft, dass wir bei jeder Bewegung mit unserem Gehirn unseren ganzen Körper steuern. Das heißt jede Bewegung ist eine enorme Konzentrationsförderung, gerade bei jüngeren Kindern. Für ältere Kinder sind hier Sportarten wie Skateboarden, (Ein-)Radfahren oder im Winter Eislaufen eher interessant. Mit einem Ausflug in einen Seilgarten oder Motorikpark kann man hier auch die Familienzeit verbinden.

2. Bewegungsabfolgen: Wenn man sich die Abfolge von Bewegungen merken soll, erfordert das volle Konzentration. Dabei kann es sich um ein Spiel handeln, oder bei vielen Teenagern ist das Tanzen sehr beliebt. Ich spiele gerne Stopptanz mit meinen Kindern, man kann aber auch Tanzbewegungen zum Beispiel aus Videos nachtanzen.

3. Neurogymnastik: Mein absoluter Favorit! Hier ist die bilaterale Koordination involviert, das heißt, man muss alle Bewegungen mit beiden Händen ausführen. Das fördert das Zusammenspiel beider Gehirnhälften und ist perfekt geeignet für zwischendurch und unterwegs. Diese Übungen eignen sich nicht nur für Kinder, sondern auch für ältere Menschen, Erwachsene, die konzentriert arbeiten müssen oder beim Lernen für Prüfungen. Man findet dazu ganz viele Videos mit Anleitungen auf YouTube (So wie meines hier).

 

Super, vielen Dank für diese Tipps! Gibt es zum Abschluss noch etwas, dass du den Menschen da draussen mitgeben möchtest?

Ja, bewegt euch! Auch wenn das oft schon einen negativen Beigeschmack hat, bedeutet das nicht, dass man gleich Profisportler werden muss. Jede Bewegung außer liegen und sitzen ist schon ein Gewinn!

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